Chrystia Freeland

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Chrystia Freeland (2017)

Christina Alexandra „Chrystia“ Freeland[1] PC (* 2. August 1968 in Peace River, Alberta) ist eine kanadische Publizistin und Politikerin. Vor ihrer politischen Laufbahn arbeitete sie als Journalistin und stellvertretende Herausgeberin für verschiedene Zeitungen und Agenturen, darunter die Financial Times, The Globe and Mail sowie Thomson Reuters. Seit November 2013 ist Freeland für die Liberale Partei Mitglied des kanadischen Unterhauses. Im Kabinett Trudeau war sie von 2015 bis 2017 Ministerin für internationalen Handel, zwischen 2017 und 2019 Außenministerin und von November 2019 bis August 2020 amtierte Freeland als Ministerin für zwischenstaatliche Angelegenheiten und stellvertretende Premierministerin Kanadas. Seit dem 18. August 2020 ist Freeland Finanzministerin Kanadas.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Chrystia Freeland wurde als Tochter des Landwirts und Rechtsanwalts Donald Freeland, der Mitglied der Liberalen Partei Kanadas war, und seiner Ehefrau Halyna Chomiak (1946–2007), ebenfalls Anwältin und Mitglied der sozialdemokratischen Neuen Demokratischen Partei, geboren.[2][3]

Ihre Großeltern mütterlicherseits stammten aus der Ukraine und flohen gegen Kriegsende vor der Roten Armee zunächst nach Deutschland, wo ihre Mutter in einem Lager für Displaced Persons zur Welt kam.[4]

Nach ihrem Schulabschluss erwarb sie in Harvard den Bachelorgrad in russischer Geschichte und in Oxford den Mastergrad für Slawistik. Sie ist mit dem britischen Reporter und Autor Graham Bowley verheiratet und hat drei Kinder. Seit dem Sommer 2013 lebt sie in Toronto.

Freeland war an der Herausgabe eines wissenschaftlichen Artikels über die Nazi-Vergangenheit ihres Großvaters Michael Chomiak (Mykhailo Khomiak) beteiligt, den ihr Onkel, der Historiker John-Paul Himka, verfasste.[5] Chomiak arbeitete als nationalsozialistischer Propagandist für das Blatt Krakivski Visti (Krakow News) in Krakau. Himka kam zu dem Schluss, dass er zwar ein Kollaborateur gewesen sei, wies jedoch darauf hin, dass die deutschen Besatzer die letzten redaktionellen Entscheidungen über die antisemitischen Artikel des Blattes und andere pro-nazistische Texte trafen. Chomikas Aufpasser war der Deutsche Emil Gassert.[6]

Tätigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Freeland während der 54. Münchner Sicherheitskonferenz 2018

Zunächst war Freeland als freie Journalistin für Financial Times, The Washington Post und The Economist in der Ukraine tätig.[7]

Später war sie stellvertretende Herausgeberin der Financial Times in London und 1999 bis 2001 von The Globe and Mail, zuletzt Redakteurin bei Thomson Reuters Digital.[8]

Am 26. Juni 2013 wandte sich Freeland vom Journalismus ab und der Politik zu, indem sie sich um die Kandidatur der Liberalen Partei für den durch Bob Raes Rücktritt freiwerdenden Sitz im Wahlbezirk Toronto Centre des kanadischen Unterhauses bewarb. Am 15. September wurde sie dafür nominiert[9] und gewann am 25. November 2013 die Wahl in das Unterhaus mit 49 % der Stimmen.[10] Bei der Unterhauswahl 2015 trat sie in dem ebenfalls in Toronto gelegenen Wahlbezirk University–Rosedale an und gewann mit 49,8 % der Wählerstimmen.[11] Diesen Sitz konnte Freeland bei der Wahl 2019 mit 51,7 % der Stimmen verteidigen.[12]

Freelands Name steht auf der vom russischen Außenministerium am 21. März 2014 veröffentlichten Liste von Personen, denen im Zusammenhang mit der Krimkrise die Einreise nach Russland verwehrt ist.[13] Im Kabinett von Justin Trudeau amtierte sie seit dem 4. November 2015 als Ministerin für internationalen Handel und engagierte sich für den Abschluss des Freihandelsabkommens CETA zwischen Kanada und der EU.[14]

Am 10. Januar 2017 wurde sie als neue Außenministerin eingesetzt.[15] Bei einem Kabinettumbau am 20. November 2019 wurde sie von Justin Trudeau zur Ministerin für zwischenstaatliche Angelegenheiten und zudem zur stellvertretenden Premierministerin Kanadas ernannt.[16]

Politische Positionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Konflikt mit Saudi-Arabien ab 2018[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Freeland äußerte sich am 2. August 2018 zu Menschenrechten am Beispiel der saudischen Frauenrechtsaktivistin Samar Badawi und verlangte ihre Freilassung. Auch die kanadische Botschaft in Riad hatte sich „ernsthaft besorgt“ über eine neue Welle von Festnahmen von Menschenrechtsaktivisten gezeigt und die sofortige Freilassung Badawis gefordert.

„Wir bitten die saudi-arabischen Behörden dringend, Samar Badawi und alle anderen friedlichen Menschenrechtsaktivisten freizulassen.“

Chrystia Freeland, 2018

Das saudische Außenministerium betrachtete das als eine „eklatante und unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten“, die man nicht akzeptiere, es sei ein Affront. Als Reaktion verwies Saudi-Arabien am 6. August 2018 den kanadischen Botschafter des Landes. Gleichzeitig rief die Regierung in Riad ihren Botschafter in Kanada zurück. Zudem setzte Saudi-Arabien ein erst vor Kurzem geschlossenes Handelsabkommen mit Kanada aus.

Badawi war nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch Anfang August 2018 zusammen mit ihrer Mitstreiterin Nassima al-Sadah festgenommen worden. Die beiden Frauen hatten jahrelang für das Recht gekämpft, in dem Königreich Auto fahren zu dürfen. Die Festnahmen sind für HRW ein Signal, dass das saudische Königshaus jeden friedlichen Widerspruch gegen die Autokratie als Bedrohung verstehe. Samar Badawi ist die Schwester des inhaftierten saudischen Bloggers Raif Badawi. Er wurde 2012 verhaftet und später zu zehn Jahren Haft und 1000 Peitschenhieben verurteilt. Saudi-Arabien wirft ihm unter anderem vor, religiöse Werte angegriffen zu haben. Badawi lebt mit seiner Ehefrau Ensaf Haidar und ihren drei Kindern in Quebec. Sie sind alle Staatsbürger Kanadas.[17]

Am 6. August 2018 teilte Saudi-Arabien mit, dass Studierende des Landes in Kanada (die Saudis sprechen von 7000 Personen) umgehend außer Landes geschafft und in andere Länder verteilt würden. Die saudische staatliche Fluglinie werde ab 13. August alle Flüge nach Toronto beenden.[18]

Kanada bedauerte die saudischen Maßnahmen und erklärte, es würde weiterhin friedliche Menschenrechtsaktivisten in aller Welt unterstützen.[19]

Freeland sprach auch in Berlin über Menschenrechte, in Anwesenheit des deutschen Außenministers. Kanada will sich gemeinsam mit anderen Ländern dafür einsetzen:

„Wir zählen und hoffen dabei auf Deutschlands Unterstützung. Wir werden uns weiterhin für die Einhaltung der Menschenrechte einsetzen, selbst wenn man uns sagt, wir sollten uns um unsere eigenen Angelegenheiten kümmern, und wenn mit Folgen gedroht wird.“

Freeland in Berlin, 27. August 2018: [20]

Kanadisch-deutsche Beziehungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In einem Kurz-Interview mit dem Spiegel im Sommer 2018 akzentuierte Freeland ihr gutes Verhältnis mit einem deutschen Außenminister:

„Der Minister ist eine der führenden Stimmen weltweit, wenn er die Rückkehr zur regelbasierten Ordnung (sc. in der Weltpolitik) einfordert. Die Menschen in Deutschland unterschätzen vielleicht den Einfluss der deutschen Außenpolitik. Die Wahrheit ist, dass die Welt Deutschland sehr ernst nimmt. … Wir arbeiten nun enger mit den Europäern zusammen.“

Freeland über Deutschland: [21]

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auszeichnungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Chrystia Freeland – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. thestar.com/how-chrystia-freeland-became-justin-trudeaus-first-star
  2. Chrystia Freeland - U.S. Managing Editor, Financial Times (Memento vom 28. Januar 2013 im Webarchiv archive.today)
  3. http://www.ukrweekly.com/old/archive/2000/170011.shtml
  4. Rebecca Wetherbee: Chrystia Freeland – U.S. Managing Editor, Financial Times, Little Pink Book. 20. Mai 2013. 
  5. "Kravivski Visti" and the Jews, 1943: A contribution of Ukrainian Jewish Relations during the Second World War. Journal of Ukrainian Studies, 1996
  6. Quelle, The Globe and Mail, 7. März 2017
  7. Chrystia Freeland. Foreign Affairs, International Trade and Development Canada (DFAIT). 25. April 2013. Abgerufen am 29. Juli 2013.
  8. lt. Klappentext in: Chrystia Freeland: Die Superreichen. Aufstieg und Herrschaft einer neuen globalen Geldelite. Frankfurt/Main 2013.
  9. Mok, Tanya: Liberals choose Chrystia Freeland to face NDP candidate Linda McQuaig in upcoming byelection in Toronto Centre. National Post. 15. September 2013. Abgerufen am 15. September 2013.
  10. Live Results from Toronto Centre and three other federal Byelections The Globa and Mail, online, (englisch)
  11. Wahlergebnis 2015 bei Elections Canada
  12. Wahlergebnis 2019 bei Elections Canada
  13. CBC-News: Russian sanctions against Canadians a 'badge of honour'
  14. Hendrik Kafsack: Handelsabkommen mit Kanada: Das Ceta-Drama. In: FAZ. 24. Oktober 2016, ISSN 0174-4909 (faz.net [abgerufen am 24. Oktober 2016]).
  15. CBC-News: Chrystia Freeland takes over Foreign Affairs as Trudeau shuffles cabinet
  16. Tonda MacCharles, Bruce Campion-Smith: Chrystia Freeland named deputy prime minister in cabinet shuffle. In: The Star. 20. November 2020, abgerufen am 16. Februar 2020.
  17. Quelle, Der Spiegel, 6. August 2018
  18. Der Spiegel, 7. August 2018
  19. Statement des kanadischen Außenministeriums zum Landesverweis des Konsuls Dennis Horak, 6. August 2018 (englisch, wahlweise auch in französisch)
  20. Maas will Allianz der liberalen Demokratien schmieden. Berliner Morgenpost, 27. August 2018, archiviert vom Original am 28. August 2018;.
  21. Der Spiegel, 1. September 2018, S. 73
  22. Chrystia Freeland." The Financial Times biography. 3 Feb 2004; 26 May 2007.
  23. ‘Romney is Wall Street’s worst bet since the bet on subprime’ Ezra Klein, Washington Post, November 28, 2012. Interview with Chrystia Freeland.
  24. Lionel Gelber Prize 2013. Abgerufen am 15. März 2019 (englisch).
  25. Kanadische Außenministerin mit Warburg-Preis der Atlantik-Brücke geehrt. Abgerufen am 9. Dezember 2018.